Seit 60 Jahren kämpfen Rechtsbürgerliche gegen „Armeeabschaffung“

Seit 60 Jahren bekämpfen die Rechtsbürgerlichen alle Vorschläge, welche einen Teil der Armee betreffen, als Angriff aufs Ganze. Die einzige Ausnahme ist die Einführung des Zivildienstes 1992, die nach der GSoA-Abstimmung 1989 unumgänglich geworden war. Besonders grotesk ist das „Argument” der „Armeeabschaffung” in der aktuellen Gripen-Frage, hatte doch der Bundesrat selber im August 2010 den Verzicht auf die Beschaffung neuer Kampfjets beschlossen. Wollten Ueli Maurer und seine KollegInnen damals die Armee abschaffen?

Bleiben wir, bevor wir die Vergangenheit aufrollen, kurz bei dieser aktuellen Frage! Dass die GSoA eine verantwortungsbewusste Organisation ist, bewies sie im November 2010 mit dem Entscheid, ihre Volksinitiative gegen neue Kampfjets zurückzuziehen. Wir taten dies nicht, weil wir völlig sicher waren, dass das Geschäft gebodigt war. Wir taten es, weil wir sicher sein konnten, dass, nachdem unsere Initiative das Volk ins Spiel gebracht hatte, bei einer allfälligen Kehrtwende ein referendumsfähiger Parlamentsbeschluss unumgänglich war. Ein Referendum hat gegenüber der Initiative drei grosse Vorteile: a) es braucht kein Ständemehr, b) Nein-Mehrheiten sind leichter zu gewinnen und c) es ist viel breiter, auch bürgerlich abgestützt. Das Referendum gegen die Gripen-Beschaffung wird nun von zwei unabhängigen Komitees getragen. Bei einem der beiden sind wir ein (minderheitlicher und engagierter) Teil. Dass es ein unabhängiges bürgerliches Komitee gibt, ist auch gegenüber der Stop F/A-18-Abstimmung ein Novum.

„Armeeabschaffung” vor der GSoA
Am 1. Mai 1954, ich war damals zwei Tage alt, startete der Waadtländer SP-Nationalrat Samuel Chevallier praktisch im Alleingang eine Volksinitiative für die Halbierung der Rüstungsausgaben zugunsten des Wohnungsbaus und anderer sozialer Zwecke. Die Initiative wurde von den Bürgerlichen schroff abgelehnt, als ginge es um die Armee überhaupt, und für ungültig erklärt, was ein Novum in der Schweizer Geschichte war. Ganz ähnlich erging es der Bewegung gegen die atomare Aufrüstung, die 1958 eine Verbots-Initiative eingereicht hatte. Sie wurde als defätistisch und armeefeindlich dargestellt. Um dieser Kritik auszuweichen, startete die SP eine eigene Initiative, die nicht die Atombewaffnung als solche in Frage stellte, sondern bloss verlangte, dass eine solche dem obligatorischen Referendum unterstellt würde. Jene Initiative kam auf 35 %, die der SP auf 38%.

Typisch für die Vor-GSoA-Zeit war die Bekämpfung der im Dezember 1979 eingereichten und im Februar 1984 mit 36,2% abgelehnten Tatbeweis-Initiative. Die Gegner hatten die Einführung eines Zivildienstes mit der Abschaffung der Armee gleich gesetzt, obwohl es diese Initiative noch gar nicht gab. Im Gegenteil spielte die demagogische Abstimmungspropaganda sowohl für die Gründung der GSoA 1982 als auch für den Entscheid von 1985, mit einer Volksinitiative selber die Gretchenfrage aufzuwerfen, eine wichtige Rolle.

1987 wurde die Rüstungsreferendums-Initiative der SP mit immerhin 41 % Ja-Stimmen abgelehnt. Die bürgerliche Argumentation war ähnlich wie bei der ersten sozialdemokratischen Rüstungsreferendums-Initiative, die 1952 abgelehnt worden war: „armeefeindlich”! Bei der ersten hatte es die GSoA noch nicht gegeben und bei der zweiten (bereits 1980 gestarteten) hatte sich die (später gegründete) GSoA abseits gehalten, weil sie ihre – weiter gehende – Initiative bereits eingereicht hatte. Die 1988 angenommene Rothenthurm-Initiative war ebenfalls als Angriff auf die Armee bekämpft worden. Sie kam durch, weil der Zeitgeist diese Demagogie neutralisierte, weil ein breites Bündnis hinter der Initiative stand und weil es zu offensichtlich nur um einen Teilbereich ging.

Keine „Armeeabschaffung” bei Ausland-Einsätzen
Dass die Stopp F/A-18-Initiative 1993 nach einem spektakulären Sammelerfolg mit 43% Ja-Anteil verloren ging, hatte primär mit der Eskalation des Krieges auf dem Balkan zu tun. Gewiss war auch die Tatsache, dass es ausschliesslich eine GSoA-Initiative war, ein Handicap. Wer hier allerdings das Hauptproblem sieht, muss erklären, wie denn die gleiche GSoA ein Jahr zuvor innert eines Monats eine halbe Million Unterschriften unter GSoA-Bögen bekam. In den folgenden 15 Jahren gab es eine Reihe von Volksinitiativen, die mit der GSoA nichts oder nur marginal zu tun hatten. Keine kam auf 40 Prozent. So erreichte im Jahre 2000 die wesentlich von SP, Friedensrat und Entwicklungsorganisationen getragene Umverteilungs-Initiative 38%. 2008 erreichte die Lärmschutz-Initiative von Franz Weber 32 %. Sie waren, ähnlich den Zeiten des Kalten Krieges bekämpft worden, wie wenn es um die Existenz der Armee überhaupt ginge.

Es gab aber nicht nur Niederlagen. Nicht zuletzt unter dem Druck des GSoA-Achtungserfolgs von 1989 wurden die Armeebestände massiv abgebaut, die Wehrpflicht in grossstädtischen Gebieten praktisch abgeschafft und der Dienstbetrieb doch etwas menschlicher gestaltet. Vor allem aber gelang es einer „Unheiligen Allianz” um GSoA und SVP zu verhindern, dass Schweizer Soldaten in Kriege, sei es nach Afghanistan oder nach Afrika, geschickt werden können. Interessant ist, dass weder die SVP noch Niklaus Ramseyer in diesem Kampf der GSoA unterstellten, es ginge ihr bei der Verhinderung von Auslandeinsätzen um die Abschaffung der Armee. Dabei ist es in dieser Frage für die Zukunft der Armee um viel mehr gegangen, als es bei der Gripen-Frage geht. Diese ist vor allem eine Finanz-Frage und betrifft selbst die Luftwaffe nur am Rande.

Jo Lang, GSoA-Vorstand und Historiker

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